Geschichte

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Weit vor der islamischen Eroberung wurde Algerien von seinen ursprünglichen Einwohnern, den Berbern, bewohnt. Nach dem Ende des römischen Reiches gerieten sie unter arabische Herrschaft und nahmen den Islam an. Nach 1830 wurde Algerien für 132 Jahre kolonisiert (ab 1848 als «Département Outre Mer») und befreite sich davon in einem traumatisierenden, blutigen Unabhängigkeitskrieg. 

Frühgeschichte 

Spuren menschlicher Besiedelung finden sich in Algerien seit 2 Mio. Jahren, z.B. bei Ain-el-Hanech im Nordosten, wo steinzeitliche Gebrauchsgegenstände wie Faustkeile oder Schlag- und Wurfwerkzeuge gefunden wurden. Vieles liegt im Dunkeln, doch seit ca. 20.000 v. Chr. finden sich Belege für eine Besiedlung Nordalgeriens durch Nomaden. Um ca. 6000 v. Chr. entstanden die Höhlenmalereien von Tassili im Südosten von Algerien. Die ca. 15.000 Bilder zeigen vielfach Jagdszenen und illustrieren die damalige Tier- und Pflanzenwelt. 

Vor der arabischen Eroberung 

Die ursprünglich berberische Bevölkerung (die Herkunft des Namens ist nicht eindeutig geklärt) besiedelte den algerischen Norden und Westen. Zwei Berber-Imperien, Numidien im heutigen Algerien und Tunesien und Mauretanien im Gebiet des heutigen Marokkos, rivalisierten miteinander und wurden am Ende vom römischen Weltreich nach dem 3. punischen Krieg vereinnahmt. Die römische Hauptstadt Algeriens war damals Caesarea (heute Cherchell), etwa 90km östlich von Algier. Zahlreiche Spuren zeugen von der römischen Kultur, z.B. in Timgad bei Batna im Nordosten. 

Von der arabischen Eroberung zur osmanischen Herrschaft 

Ende des 7. Jahrhunderts wurde Algerien von den Arabern erobert, nachdem das einheitliche römische Weltreich zusammengebrochen war; es existierte allerdings als Ostrom (Byzanz) bis 1453 fort und wurde erst dann durch die Osmanen erobert und islamisiert. In Algerien folgte nach der arabischen Eroberung ein Wechselspiel islamischer Dynastien; mehrfach wechselte die Vorherrschaft zwischen schiitisch und sunnitisch ausgerichteten Herrscherfamilien, die sich entweder an der muslimischen Herrschaft in Andalusien oder in Machtzentren in Nordafrika östlich (Tunis, Kairo) bzw. westlich (Tanger in Marokko) ausrichteten. 

Im Zuge der spanischen Reconquista wurden auch nordalgerische Städte von Spanien besetzt, so Tlemcen und Cherchell, und muslimische Korsaren unter Führung von Khreredin Barbarossa nahmen die Gelegenheit wahr, sich mit dem osmanischen Sultan in Istanbul zu verbünden, sich ihm zu unterstellen, die Spanier zu bekämpfen und schließlich zu vertreiben. Im Zuge der Machtkonkurrenz zwischen osmanischem Weltreich und den aufstrebenden europäischen Nationalstaaten entwickelte sich Algier zu einem Korsarenstützpunkt (die Korsaren unterstanden dem osmanischen Sultan im Unterschied zu Piraten, die auf eigene Rechnung arbeiteten); auf Raubzügen wurden gezielt europäische Schiffe überfallen, um Sklaven gefangen zu nehmen, die entweder gegen hohe Lösegelder (darunter der spanische Dichter Miguel de Cervantes) ausgetauscht oder als Arbeitskraft verwendet wurden. Die Bewertungen über die algerische Korsarentätigkeit im Dienste des Osmanenreichs gehen auseinander: diese wird von algerisch-arabischer Seite gelegentlich als quasi vorweggenommener antikolonialer Selbstbehaltungs- und Befreiungskampf interpretiert. Miguel de Cervantes und die anderen Betroffenen haben das möglicherweise anders wahrgenommen.

Die lokalen Herrscher Algiers, die Deys, verfügten über große Unabhängigkeit vom osmanischen Sultan, waren diesem aber tributpflichtig. Mit der aufkommenden Modernisierung der europäischen Länder im Zuge von Renaissance sowie der Entwicklung von Handwerk, Manufaktur und Industrie verlor der Raub von Sklaven und die Piraterie zunehmend an Bedeutung, das «Geschäftsmodell» der Korsaren war nicht mehr zeitgemäß. Es kam zu einer starken Verschuldung des algerischen Deys gegenüber Frankreich, um die ständig steigenden Importe an europäischen Waren finanzieren zu können. 

Nachdem Frankreich unter einem Vorwand 1830 zentrale Küstenstädte besetzt hatte, weitete es seine Besatzung immer weiter aus. Algerien wurde systematisch kolonisiert. Zuvor musste in der Zeit von 1830 bis 1848 allerdings der Widerstand des algerischen Nationalhelden Abdelkader überwunden werden, der es zeitweilig schaffte, die Vision eines algerischen Nationalismus 

vorwegzunehmen und der französischen Armee bedeutende Niederlagen beibrachte, so dass er von Frankreich sogar als Herrscher Algeriens (Emir) anerkannt wurde, der nur formal französischer Oberhoheit unterstand. Abdelkader, möglicherweise schlecht beraten, begnügte sich jedoch damit nicht, sondern suchte die endgültige Entscheidung und nahm den Krieg wieder auf. 

Frankreich führte gegen ihn und seine Verbündeten ein Art totalen Krieg unter Einsatz aller Ressourcen, dem er schließlich nicht gewachsen war. Er bleibt jedoch eine respektierte Figur der algerischen Geschichte. 

Fortgang der Kolonisierung 

1848 annektierte Frankreich den nördlichen Teil Algeriens und erklärte ihn zum integralen Bestandteil des französischen Mutterlandes. Drei «Départements Outre Mer» – DOM-TOM bzw. DOM 

ROM – (Algier, Oran, Constantine) wurden damals geschaffen, 1957 kam mit Annaba bzw. Bône ein viertes dazu). In großer Zahl wurden europäische Siedler ins Land geholt und die einheimische Bevölkerung von Ihren Ländereien vertrieben bzw. enteignet. Ein Aufstand 1870 wurde blutig niedergeschlagen, 25% der Bevölkerung sollen getötet worden sein oder verhungert, 70% des einheimischen Landbesitzes gingen demnach an französische Siedler. 

Allerdings gibt es keine wirklich validen Zahlen und Statistiken. Die gängige Lesart der kolonialkritischen Geschichtsschreibung geht im Zeitraum von 1850-1890 von 1-1,5 Mio. Todesopfern aus. In diesen Zeitrahmen fällt auch der Unabhängigkeitskrieg des Emirs Abdelkader gegen die Franzosen. Andererseits hat sich danach die Gesamtbevölkerung von 1890 bis 1930 von ca. 2 auf 6 und bis 1962 dann auf 10 Millionen erhöht (derzeit ca. 40 Mio.), was von 1890 an gerechnet etwa einer Verfünffachung entspricht. 

Mit dem code d’indigénat – auch «Knüppelcode» genannt -, einer besonderen Gerichtsbarkeit, wurde quasi ein Apartheidssystem für die einheimische Bevölkerung geschaffen, das bis 1962 in Kraft blieb.

Unabhängigkeitskrieg 

Trotz – oder auch wegen – aller Härte und militärischer Überlegenheit wurde die Legitimität der französischen Besatzung nicht anerkannt. Hungersnöte und exzessive Gewalt untergruben ihre Legitimationsgrundlage, die Einbindung der einheimischen Bevölkerung in eine gemeinsame

algerisch-französische Identität wurde nicht ernsthaft betrieben; eine Million Europäer und 10 Millionen autochthone Algerier lebten nebeneinander her. Einheimisches, an die islamische Scharia angelehntes Recht und europäische Rechtsstandards existierten unverbunden nebeneinander her und führten für die Algerier teilweise zu schizophrenen Situationen, z.B. bei weiblichen Bekleidungsregeln. 

136.000 Algerier hatten im Zweiten Weltkrieg auf Seiten der Alliierten gekämpft. Während der Siegesfeiern am 8.Mai 1945 wurden Rufe nach Unabhängigkeit Algeriens laut; in Setif schoss die Polizei daraufhin in die Menge. Danach eskalierte die Gewalt landesweit und man spricht von 25.000 getöteten Algeriern, die bei Massakern von französischer Armee und bewaffneten Siedlern umgebracht wurden. Allerdings gab es zuvor auch Übergriffe und Morde an Europäern. 

Durch die Radikalisierung auf beiden Seiten konnte sich als führende Kraft auf algerischer Seite die FLN (Front de Liberation Nationale) etablieren, die die Gewalt ablehnende Bewegung Parti Populaire Algerienne von Messali Hadj verdrängte. In einer unheilvollen Spirale von Gewalt und Gegengewalt, bei der die französische Armee die FLN militärisch stets dominierte, wurde die Situation immer auswegloser und kostspieliger. Die von der FLN ausgehende Gewalt wendete sich auch massiv gegen Algerier selbst, nämlich gegen vermeintliche Mitläufer und Kollaborateure, um die Bevölkerung von der Besatzungsmacht zu isolieren. 

Der Prozess der Unabhängigkeit Algeriens war auch für das französische Mutterland eine Zerreißprobe, die zeitweilig die Schwelle zum Bürgerkrieg zu überschreiten drohte. Es kam zu einem erfolglosen Militärputsch in Algier, schließlich zur Gründung der Untergrundarmee OAS, mehrere Attentate auf den Staatspräsidenten De Gaulle scheiterten teilweise knapp. 

Am 18. März 1962 wurde im Vertrag von Evian die Unabhängigkeit vereinbart. Zwar hatte die FLN militärisch keine Chance gegen die französische Armee, aber die Perspektive eines jahrzehntelangen Abnutzungs- und Bürgerkrieges in Algerien mit horrenden Kosten und Verlusten gab schließlich den Ausschlag für die Akzeptierung der Unabhängigkeit. 

Danach wurde am 1. Juli 1962 ein Referendum über die Unabhängigkeit abgehalten, bei dem sich 99% dafür aussprachen, darunter sicherlich auch viele Algerien-Franzosen. Die provisorisch eingesetzte Übergangsregierung zerstritt sich sehr bald; eine Gruppierung um Boumedienne übernahm die Macht in einem putschartigen Vorgehen. Dabei gab es tausende Todesopfer; die Legitimität der Machtübernahme dieser Fraktion – mit anschließender Herrschaft der Einheitspartei FLN ab September 1962 – wird bis heute vielfach angezweifelt (und gilt vielen als ein wesentlicher Grund für das Scheitern einer erfolgreichen und nachhaltigen Entwicklung). 

Etwa eine Million Algerien-Franzosen, die sog. pied-noirs, verließen daraufhin fluchtartig das Land. 150.000 Harkis, tatsächliche oder vermeintliche Kollaborateure mit der französischen Besatzungsmacht, wurden ihrem Schicksal überlassen und zum großen Teil ermordet. Die traumatisierende Entkolonialisierung brachte zwar die FLN an die Macht. In ihrem Sieg war aber der Keim für zukünftige Diktatur und Bürgerkrieg enthalten. Frankreich dagegen war die Bürde Algerien los, nachdem de Gaulle sein Ziel, Frankreich durch in Algerien durchgeführte Tests zur Atommacht zu machen, erreicht hatte. Algerien war für Frankreich entbehrlich geworden, sein Verlust verkraftbar. 

Unabhängigkeit 

Der Exodus von einer Million Algerien-Franzosen nach der Unabhängigkeit war nicht nur ein Schock für die Betroffenen, sondern bedeutete auch einen starken Aderlass von Fachkräften, der bis heute nachwirkt. In die verlassenen Häuser und Wohnungen rückten Kämpfer der FLN oder sonstige vom neuen Regime Begünstigte.

Die Machtkämpfe in der FLN brachen nun offen aus; die Kultur der Gewalt triumphierte. Der FLN-Führer Ahmed Ben Bella wurde erster Präsident und erklärte Algerien zu einer sozialistischen und islamischen Nation: Verstaatlichung der Wirtschaft, Einheitspartei und Gleichschaltung der Medien. Abweichler und Oppositionelle wurden verfolgt, eingesperrt oder kamen unter ungeklärten Umständen zu Tode, wie der Evian-Chefunterhändler der FLN, Krim Belkacem. 

Ben Bella wurde von Houari Boumedienne gestürzt. Ben Bella war zwar populär, stand aber den Ambitionen Boumediennes im Weg. Boumedienne, ein frommer, gleichwohl machtbewusster asketischer Visionär, der die laizistische Kultur Frankreichs und des Westens als dekadent und entsakralisiert verabscheute, blieb 13 Jahre im Amt; er versuchte, das Land mit den Erlösen aus dem Erdöl-Export nach einem großen Plan zu industrialisieren und setzte auf aus dem Ausland importierte, schlüsselfertige Produktionsstätten, insbesondere im Bereich Eisen und Stahl. Die de facto gewaltsame Industrialisierung brachte indessen schwere soziale Verwerfungen mit sich (z.B. eine erzwungene Urbanisierung) – letztlich mussten aber viele der Großbetriebe und Kombinate am Ende wieder geschlossen werden: der große Sprung nach vorn gelang nicht. 

Stattdessen verfestigten sich die Machtstrukturen mit der Armee und der Staatspartei FLN als Hauptprofiteure, die die Renditen aus dem Öl- und Gasgeschäft unter sich aufteilten.

Islamismus und Bürgerkrieg 

Mitte der 80er Jahre wurde das Scheitern des sozialistischen Entwicklungsmodells Boumediennes offensichtlich. Die importierte Schwerindustrie war im Vergleich zur Konkurrenz auf den Weltmärkten nicht wettbewerbsfähig, hinzu kamen gravierende Management- und Qualitätsprobleme. Zudem war zugunsten der Schwerindustrie die Erzeugung von Gütern des täglichen Bedarfs und die Landwirtschaft vernachlässigt worden. Diese wurde nach sozialistischem Muster kollektiviert; die Produktion sank daraufhin in den 70er Jahren auf die Hälfte des Standes vor der Unabhängigkeit. Lebensmittel und Gebrauchsgüter wurden darauf hin im großen Stil importiert statt selbst produziert. Paradoxerweise hatte der Versuch, das Land durch den Aufbau der Schwerindustrie unabhängig zu machen, zu mehr Abhängigkeit vom Ausland geführt. Zwar korrigierte nach dem Tode Boumediennes seit 1979 dessen Nachfolger Chadli Benjedid einige Fehlentwicklungen und nahm Abschied von den Fehleinschätzungen Boumediennes. Doch die Erblast Boumediennes wog schwer (Urbanisierung, Jugendarbeitslosigkeit, Wohnungsnot). Zudem – eine  bedeutsame Parallele zur aktuellen Situation – sank in der zweiten Hälfte der 80er Jahre der Ölpreis, so dass das Regime sich zunehmend seiner Ressourcen für die Versorgung der Bevölkerung beraubt sah, während die Eliten des Regimes aus Militär und FLN weiterhin sehr gut lebten. Aufgrund der verfehlten Entwicklungspolitik war Algerien im Zuge der fallenden Öl- und Rohstoffpreise zeitweise zahlungsunfähig, musste sich 1994 an den IWF wenden und ein vermeintliches Diktat, d.h. ein scharfes Restrukturierungsprogramm akzeptieren.

Nach schweren Unruhen am 9. Oktober 1988 mit mehreren Hundert Toten musste Chadli eine Demokratisierung einleiten und 1989 einer neuen demokratischen Verfassung zustimmen. Sie sah die Trennung von Partei und Staat, parlamentarische Verantwortung, Pluralismus, politische Freiheiten und Garantien der Menschenrechte vor. Gleichzeitig mit der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage hatte, befördert durch die islamische Revolution im Iran, der Islamismus einen starken Aufschwung genommen; große Teile der Bevölkerung wandten sich nun vom Regime ab und der islamistischen Partei FIS (Front Islamique du Salut, Islamische Heilsfront) zu. 

Am 26.12.1991 fand der erste Durchgang der Parlamentswahlen statt, die von der FIS mit 47% der Stimmen gewonnen wurden. Eine Vielzahl undurchsichtiger politischer Manöver war dem vorangegangen; innerhalb des Regimes bekämpften sich Reformer und Reformgegner. Die FIS, deren Anhängerschaft und Ideologie ebenfalls durchaus heterogen war, hatte durch ihren Vorsitzenden Abassi Madani und seinen Stellvertreter Ali Belhadj das Regime und die Armee herausgefordert und massive Drohungen ausgestoßen, die die Machthaber und Teile der algerischen Zivilgesellschaft nicht nur um Einfluss und Privilegien, sondern auch um ihr Leben bangen lassen mussten. 

Der Wahlprozess wurde daraufhin abgebrochen, Präsident Chadli zum Rücktritt bewogen und die FIS verboten. Als neuer Präsident wurde einer der ausgebooteten Helden des Unabhängigkeitskampfes,  Mohamed Boudiaf installiert, der indessen unter bis heute ungeklärten Umständen am 29. Juni 1992 auf offener Bühne in Annaba vor laufenden Fernsehkameras erschossen wurde. 

Warum wurde der Wahl- bzw. Demokratisierungsprozess abgebrochen? 

Das Spektrum der Interpretationen reicht von einer «Notwehrreaktion der Zivilgesellschaft» gegen eine totalitäre islamistische Machtübernahme bis hin zu einem vom Regime gesteuerten Abbruch der Demokratisierung mit dem Wahlsieg der FIS als Vorwand. Im Anschluss kam es zum Bürgerkrieg, der von 1991 bis 2001 dauerte und in einigen Regionen heute noch nicht beendet ist. Er forderte bis zu 150.000 Opfer (oder mehr) und endete militärisch betrachtet mit einem Sieg der Regierung über die GIA (Groupe Islamique Armé) und der der FIS nahestehenden AIS (Armée islamique du salut). 

Nach diesen traumatischen Erfahrungen steht der größere Teil der algerischen Bevölkerung einem politisch-islamistischen Projekt mittlerweile skeptisch gegenüber, was sich u.a. auch empirisch in den Wahlergebnissen ausdrückt. 

Wiederaufbau und nationale Versöhnung 

Mit dem Abflauen des Bürgerkrieges wurde der aus dem saudischen Exil heimgekehrte Ex Außenminister Boumediennes (und dessen engster Vertrauter), Abdel Aziz Bouteflika, 1999 zum Präsidenten gewählt sowie 2004 und 2009 (wofür eine Verfassungsänderung benötigt wurde) bestätigt. Bouteflika wollte den Bürgerkrieg durch eine Versöhnungspolitik ohne tiefere Aufarbeitung durch «Vergeben und Vergessen» beenden und hielt darüber im Jahr 1999 ein Referendum ab, in dem die Politik der «ausgestreckten Hand» bestätigt wurde. Eine „Charta für Frieden und nationale Aussöhnung“, die im September 2005 durch ein Referendum bestätigt wurde, sieht neben Amnestiemöglichkeiten auch Entschädigungen für Opfer sowie finanzielle Wiedereingliederungshilfen für ehemalige Terroristen vor, von denen diese regen Gebrauch machten. 

Gleichzeitig blieb bis heute eine unbestimmte Anzahl von Kämpfern weiterhin aktiv, die sich GSPC bzw. AQMI nennen und die auf die Aussöhnungs- und Wiedereingliederungsversuche Bouteflikas

nicht reagiert haben und sich hauptsächlich durch Überfälle und Entführungen finanzieren. Die Zahl der Personen, die während des Bürgerkrieges quasi spurlos verschwunden sind (und vermutlich entführt und umgebracht wurden), wird auf ca. 10.000 geschätzt. Die Gesamtzahl der Todesopfer soll bei etwa 200.000 liegen. 

Bei den letzten Parlamentswahlen im Jahr 2012 konnten sich die dem Präsidenten nahestehenden politischen Kräfte durchsetzen, die islamistischen Kräfte verpassten einmal mehr den erhofften Wahlsieg. 

Das Problem der Patrioten 

In den Jahren des Bürgerkrieges nach 1994 versuchte der algerische Staat, die Gesellschaft durch den Aufbau von militärischen Parallelstrukturen gegen den Aufstand der bewaffneten Islamisten zu mobilisieren; es wurden ländliche Milizen geschaffen und bewaffnet, etwa 80.000 Schusswaffen wurden ausgegeben. Bürgerwehren wurden gebildet, die ihre Dörfer bewachten und aufgrund ihrer Ortskenntnisse der Armee Informationen über die Operationen der islamistischen Terroristen lieferten. 

Es gibt aber auch Berichte über die Verselbstständigung der Milizen und einzelne Übergriffe bis hin zu möglicherweise schweren Menschenrechtsverletzungen und über das teilweise Abgleiten in Kriminalität und ins Banditentum. Allerdings hatten die Milizen möglicherweise großen Anteil an der Niederschlagung des islamistischen Aufstandes, operierten aber praktisch in einem fast rechtsfreien Raum. 

Verständlicherweise versuchte der Staat nach Abflauen des Bürgerkrieges die ausgegebenen Waffen wieder einzusammeln. Eine Aufweichung des staatlichen Gewaltmonopols ist auf Dauer nicht akzeptabel, doch hatten andererseits viele Milizionäre aus nachvollziehbaren Motiven Zeit, Gesundheit und ihr Leben eingesetzt, um die algerische Gesellschaft vor der Machtübernahme durch die Islamisten zu bewahren. 

Viele derer, die damals aus ihrer Sicht ihr Vaterland verteidigten, beklagen heute Zurücksetzung und Geringschätzung seitens der offiziellen Politik, da ihr rechtlicher Status bisher offenbar nicht endgültig und eindeutig geklärt ist und entsprechende Ankündigungen und Versprechungen nicht praxistauglich umgesetzt wurden. Demgegenüber sind die Regelungen zur Wiedereingliederung reuiger Ex-Terroristen offenbar gut umgesetzt, was bei den Ex-Milizionären bzw. «Patrioten» sehr aufmerksam registriert wird und zu Protesten und Aktionen geführt hat; in einer landesweiten Aktion wurde auf die nicht eingehaltenen Zusagen hingewiesen. 

Die Texte stammen vom Länderportal der GIZ, welches vom Netz genommen ist. Der Verfasser ist auf dem PDF, was ich abgezogen habe, nicht ersichtlich. Die GIZ ist informiert worden, dass die Infos auf meine touristischen Länderseiten veröffentliche.