Innenpolitik

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Die ethnische und soziale und geographische Heterogenität ist in Algerien sehr groß. Daher ist es vor allem die Institution der Armee, die den Zusammenhalt des Landes zu garantieren beansprucht, die Schlüsselpositionen besetzt und die Ressourcen des Landes kontrolliert. Sie bezog ihre Legitimität aus ihrer Rolle im Befreiungskrieg gegen Frankreich, stellt einen Staat im Staat dar und war ursprünglich der bewaffnete Arm der FLN. Bis zur ersten Amtszeit des gegenwärtigen Präsidenten Bouteflika 1999 waren die Präsidenten Algeriens Armeeoffiziere. 

Alle jungen Männer im wehrfähigen Alter müssen einen 18-monatigen Wehrdienst ableisten, oft weit weg von zu Hause, stehen dann als Reservisten zur Verfügung und werden zu Wehrübungen eingezogen. 

Die Schlüsselpositionen in Wirtschaft und Verwaltung werden offenbar nicht nur nach Qualifikation vergeben, sondern innerhalb der herrschenden Zirkel untereinander verteilt. Beziehungen entscheiden. Die dominierende Rolle der traditionellen Führungsschichten und der früheren Einheitspartei FLN seit der Unabhängigkeit ist bisher nicht wirklich verloren gegangen, eher wurden nach dem Motto «Teile und herrsche» Zugeständnisse gemacht und andere Machtgruppen in den Kreis der Begünstigten aufgenommen. Dazu gehören vor allem die Islamisten, soweit sie legal operieren. 

Eine starke und manchmal entscheidende Rolle in den internen Machtkämpfen wird von manchen Beobachtern dem algerischen Geheimdienst DRS zugeschrieben. Er soll während des Bürgerkrieges in den 90er Jahren die islamistische Terrorgruppe GIA mit Agenten durchsetzt und teilweise gesteuert haben. Auch wird ihm vorgeworfen, in die Entführung von Europäern verwickelt gewesen zu sein (z.B. in die Entführung zweier Österreicher in Tunesien) und den islamischen Terror teilweise selbst zu schüren. 

Islamisten und Islamisierung 

Die Industrialisierungspolitik von Houari Boumedienne führte zu einer starken Urbanisierung, aber auch kulturellen Entwurzelung, tausende strömten in die Städte. Infolge der «sektoriellen Unausgewogenheit» stand der Industrialisierung keine angemessene Erzeugung von Konsumgütern gegenüber und die Landwirtschaft verfiel; insbesondere blieb aber der Wohnungsbau stark hinter dem Bedarf zurück. Als der Ölpreis verfiel, waren die entwurzelten Stadtbewohner der Verelendung preisgegeben und stellten ein Auffangbecken für islamistische Ideologien dar. Dieses Potential wurde von der islamistischen FIS repräsentiert, die aber gleichzeitig ein Synonym für die Bekämpfung von Nepotismus und Korruption wurde und insofern traditionelle islamische Werte mit «moderner» Dschihad-Ideologie verknüpfte. 

Nach der Katastrophe des Bürgerkriegs war der militante, dschihadistische Islamismus diskreditiert. Die sog. moderaten Kräfte machten sich auf den «Marsch durch die Institutionen» und sind mittlerweile in das Regime und die präsidentielle Regierungsallianz eingebunden. Zudem ist Toleranz gegenüber anderen Religionen zumindest der islamistischen Ideologie fremd; diese werden vielmehr marginalisiert und auf einen Status als „dhimmi“ verwiesen, d.h. jemand, der mit begrenzten Rechten toleriert werden kann. 

Regionalismus und Kabylei 

Eine neuzeitliche Variante der traditionellen Berber-Zivilisation wird am ehesten in der Kabylei gepflegt, dort ist die kulturelle Eigenständigkeit von den Ansprüchen der Zentralmacht am größten, wie der algerisch-kabylische Schriftsteller Boualem Sansal ausführt. Investitionen in Infrastruktur und Bildung waren hier besonders gering; das Regime hat die Kabylen an einer besonders kurzen Leine gehalten; ihre Sprache unterdrückt und die Arabisierung und Islamisierung erzwungen. Der über Jahrzehnte angestaute Frust hat sich zu einer tiefgreifenden Unzufriedenheit verfestigt und selbst separatistische Töne sind nicht selten. Hinzu kommt, dass die Kabylen überall als produktive Arbeitskräfte mehr geschätzt sind als andere Bevölkerungsgruppen und in dieser Hinsicht einen guten Ruf haben.

Religionsfreiheit 

Ein Gesetz vom 28. Februar 2006 verbietet es, einen Muslim zum Übertritt zu einem anderen Glauben anzustiften («Proselytismus»). Nicht-muslimische Religionen dürfen nur an vom Staat genehmigten Orten ausgeübt werden. Presseberichten zufolge wurden in den letzten beiden Jahren eine Reihe von Personen wegen des ungenehmigten Feierns von Gottesdiensten und wegen des Versuchs, Muslime zum Übertritt zum Christentum zu bewegen, zu Haftstrafen verurteilt. Es reicht u.U. schon, mit ein paar Bibeln unterwegs zu sein, um wegen Proselytismus angeklagt zu werden. 

Die Nicht-Respektierung des Fastengebotes während des Ramadan kann zu Gefängnisstrafen führen. Die frühere Nummer Zwei der FIS, Ali Belhadj, forderte sogar die Todesstrafe für das Nicht-Einhalten des Fastengebotes unter Berufung auf die islamische Identität des algerischen Staates. 

Zivilgesellschaft 

Die Zivilgesellschaft in Algerien ist durch die Jahres des Bürgerkrieges sehr geschwächt und kann als Quelle für Veränderungen und Impulsgeber nur eingeschränkt fungieren. Alle nicht direkt oder indirekt von dem Regime kontrollierten Organisationen und Zusammenschlüsse sind starkem Druck ausgesetzt und von ständiger Verfolgung bedroht. Dies gilt etwa für den unabhängigen Gewerkschaftsbund SNAPAP oder die algerische Menschenrechtsliga LADH, die seit der Aufhebung des Kriegsrechts bzw. Ausnahmezustandes keine Verbesserungen feststellen kann. Die Gründung von Nicht-Regierungsorganisationen kann ohne Angabe von stichhaltigen Gründen verweigert werden. Eine Einrichtung zur Korruptionsbekämpfung wurde nach langen Anläufen unter staatlicher Aufsicht mittlerweile zugelassen. Wer selbst initiativ wird, muss damit rechnen, dafür einen hohen Preis zu zahlen. Z.B. Benyoucef Mellouk stellte fest, dass die zahlreichen Ex-Befreiungskämpfer (Moudjahidine), für deren Versorgung ein eigenes Ministerium geschaffen wurde, in sehr vielen Fällen Betrüger sind, sich ihren Status und ihre Privilegien erschlichen haben und niemals eine Waffe in der Hand hatten. 

Das Internet 

In Algerien ist das Internet zentralisiert, die staatliche Telekom bietet verschiedene Varianten für private oder gewerblich-kommerzielle Zwecke an, gestaffelt nach Leistungsfähigkeit der Verbindung. Private Service-Provider haben sich auf dem von der Telekom dominierten Markt nicht behaupten können. Die Qualität der Verbindungen ist instabil, mit Unterbrechungen oder drastischen Leistungsschwankungen muss gerechnet werden. 

Direkte Zensurmaßnahmen, Verfolgungen oder Sanktionen sind bisher nicht bekannt geworden. In allen Städten von Algier im Norden bis Tamanrasset an der malischen Grenze gibt es ein dichtes Netz von Internet-Cafés. 

Eine Bedrohung geht für das Regime auch insofern vom Internet nicht aus, als alle relevanten Seiten nicht in Algerien gehostet sind und sich insofern dem Zugriff staatlicher Stellen ohnehin entziehen. Lediglich staatliche, halbstaatliche oder öffentliche Institutionen hosten ihre Seiten in Algerien beim staatlichen Anbieter CERIST und der Länderkennung «.dz». Die vom Staat unabhängigen Medien haben ihre Internet-Auftritte fast ausnahmslos nicht in Algerien und benutzen vorwiegend nicht algerische Kennungen, wie .z.B. «elwatan.com». 

Über Youtube und andere Kanäle wird u.a. intensiv islamistische Ideologie verbreitet. 

Die Texte stammen vom Länderportal der GIZ, welches vom Netz genommen ist. Der Verfasser ist auf dem PDF, was ich abgezogen habe, nicht ersichtlich. Die GIZ ist informiert worden, dass die Infos auf meine touristischen Länderseiten veröffentliche.