Kultur

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Ethnische Vielfalt und Heterogenität 

Die Vielfalt der algerischen Kultur ist durch die verschiedenen ethnischen Gruppierungen bedingt, die von der Vergangenheit bis in die Gegenwart hinein ihre Spuren hinterlassen haben. Algerien ist auch ein Land der Immigration und Emigration. 

Es können vielleicht 3 kulturelle Hauptströmungen benannt werden: 

  • eine arabisch-islamische «Leitkultur», die sich u.a. im Alltagsverhalten, der Kleidung, im Rechtswesen, in Staat und Verwaltung und der Religion ausdrückt. Die Leitkultur hat eine Tendenz zur Dominanz, zum Ausschluss und zur Verdrängung der anderen Kulturen eine westlich beeinflusste Kultur (französischsprachige Literatur, Malerei, klassische und moderne Musik, generell Offenheit statt Ausschließlichkeit) 
  • die traditionelle Amazight-Kultur der Kabylen mit eigener Sprache sowie andere traditionelle Kulturen (z.B. Mozabiten) 
  • die Tuareg-Kultur im Süden mit (Musik, sprachliche Eigenheiten, Kleidung, religiöse Differenzen zum Mehrheits-Islam) 

Das Ministerium für Kultur repräsentiert das offizielle Kulturwesen in Algerien. Geführt wurde es bis Mai 2014 von der streitbaren, auch umstrittenen früheren Feministin Khalida Toumi. In ihrer Amtszeit seit 2001 wurden Festivals organisiert, Museen eröffnet sowie vernachlässigte Kulturdenkmäler und Traditionsbauten saniert und renoviert. 

Literatur 

Die französischsprachige algerische Literatur wird u.a. durch die kürzlich verstorbene Autorin Assia Djebar geprägt, die 2000 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt. Sie geht besonders auf die Situation der arabischen Frauen nach der Unabhängigkeit ein und setzt sich für ein Frauenbild im Islam ein, das an progressive Tendenzen in den Ursprüngen des Islam anknüpft. 

Eine breite internationale Rezeption erfahren hat der Autor Yasmina Khadra, ein früherer Armeeoffizier. Er ist vor allem durch die Erfahrung von Gewalt und Terrorismus während des algerischen Bürgerkrieges geprägt und nähert sich dieser eher beschreibend als erklärend (auch wenn seine Romane nicht immer in Algerien spielen). 

Die Autorin Malika Mokkadem beschreibt das Leben der Frauen in Algerien nach der Unabhängigkeit aus der Perspektive von Frauen, die ihr eigenes Leben leben, für sich entscheiden und die Welt entdecken wollen und dazu Grenzen überschreiten müssen. 

Während die drei erstgenannten Autoren, in erster Linie aus Sicherheitsgründen, im Ausland leben, hat der kabylische Schriftsteller Boualam Sansal seinen Wohnsitz weiterhin in Algerien. Wie Assia Djebar hat auch Sansal den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten. Sansal interessiert sich aber weniger für die Ursprünge des Islam oder das Frauenbild, sondern thematisiert als kabylischer Schriftsteller in seinen Büchern den politischen Machtanspruch der Religion. 

Film und Kino 

Das algerische Filmschaffen nach der Unabhängigkeit war zunächst sehr produktiv und hat zahlreiche Werke hervorgebracht, die teilweise auch internationale Anerkennung gefunden haben. Nicht alle Filme, die von Algerien handeln, sind allerdings von Algeriern gemacht und in Algerien produziert, angefangen bei der filmischen Darstellung des Aufstandes der FLN in Algier 1954-57 «La bataille d’Alger» (algerisch koproduziert).

1975 gewann Mohammed Lakhdar-Hamina mit «chronique des années de braise» die Goldene Palme in Cannes. Die algerischen Filme hatten meist den Unabhängigkeitskampf zum Gegenstand oder thematisierten dessen Folgen, bezogen sich auf ihn. 

In den Jahren von Bürgerkrieg und Terror kam die algerische Filmproduktion zum Erliegen. In jüngerer Zeit gibt es Produktionen, die mehr Gegenwartsbezug haben, z.B. «Drei Frauen in Algier», in dem das Schicksal dreier Frauen während der Zeit des Terrorismus gezeigt wird. 

Musik 

Nachdem in der Zeit des Bürgerkrieges die nationale Musikproduktion etwas zum Erliegen kam (für die Islamisten ist Musik nicht erlaubt, da sie von der Hinwendung zu Gott ablenkt und zu diesseitig ist), gibt es wieder eine algerische Musikszene. 

Überlebt hat auch das nationale Symphonieorchester, das in im sehr sehenswerten Nationaltheater in Algier im Zentrum der Stadt oder an anderen Aufführungsorten gelegentlich auftritt und sehr hörenswert ist. Bekannter ist die algerische Musik allerdings für die Popmusik «Rai», die eine Mischung aus arabischem Gesang und Rock-Rhythmen darstellt. Weniger bekannt, aber nicht weniger eindrucksvoll ist die Gnawa-Musik (ursprünglich marokkanisch) die wie eine Mischung aus afro-amerikanischen Blues-Elementen und schwarzafrikanischer Musik klingt.

Malerei 

Trotz des islamischen Bilderverbotes war und ist die Malerei in Algerien sehr produktiv. Sie führt allerdings ein Nischendasein, immerhin wurde im Zentrum von Algier das «Musée des Arts Modernes» (MAMA) neu eröffnet. Zudem finden sich kleinere Galerien und Kunstausstellungen, z.B. in der Altstadt, in denen gelegentlich interessante Vernissagen und Ausstellungen stattfinden. 

Religion 

Anders als im Westen ist die Religion in der arabischen und auch der algerischen Identität fest verwurzelt – sie stellt offenbar einen Identitätsanker dar; die «Desakralisierung» des öffentlichen Lebens in Westeuropa wird häufig kritisch und ablehnend kommentiert. 

In Algerien ist der Islam Staatsreligion, d.h. die Verfassung definiert Algerien als ein islamisches Land und die Religion beansprucht, dass Regierungsmacht sich an ihr orientiert. Dies bedeutet u.a., dass u.a. der Staatspräsident muslimischen Glaubens sein muss. Für Nicht-Muslime gibt es rechtliche Einschränkungen, z.B. im Erbrecht. Nicht-Muslime können nicht oder nur eingeschränkt von Muslimen erben (und auch nicht oder nur eingeschränkt vererben, z.B. eine Nicht-Muslimin im Fall des Todes ihres muslimischen Gatten), werden also rechtlich diskriminiert. 

Der Anteil der Muslime an der Gesamtbevölkerung ist 99%; sie gehören der sunnitischen Glaubensrichtung an; Schiiten sind in Algerien nicht bekannt. In der Gegend von Ghardaia leben ibaditische Charidschiten (Mozabiten), die als die «fünfte» Glaubensrichtung des Islam angesehen werden, deren islamische Identität aber nicht angezweifelt wird. 

Der Islam der Kabylen und der Touaregs unterscheidet sich doch etwas von der arabischen Praxis und ist offener, z.B. ist Alkohol in der Kabylei nicht selten, die Gesichtsverschleierung der Fauen bei den Touareg unüblich. 

Andere Religionen, insbes. die ca. 40.000 Christen, werden rein rechtlich gesehen toleriert, müssen aber bestimmte, restriktiv auslegbare Regeln einhalten. Nach einem Gesetz vom 28.8.2006 (sog. Anti-Missions-Gesetz) dürfen christliche Gottesdienste nur an registrierten und angemeldeten Orten stattfinden, die durchführenden Organisationen müssen zudem registriert sein, was derzeit nur für die katholische Kirche zutrifft. Protestantische Bekenntnisse sind demnach illegal und werden derzeit nicht anerkannt. Zwar ist der Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion prinzipiell möglich. Der Versuch, einen Menschen muslimischen Glaubens zum Austritt aus dem Islam zu bewegen, ist jedoch mit Strafe bedroht. Nach Ansicht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BaMF) hat sich die Lage der Nicht-Muslime, insbes. der Christen, durch diese Gesetzgebung erschwert. Der Austritt aus dem Islam begründet einen Verfolgungstatbestand und stellt nach einem Urteil des VG Freiburg vom 26.11.2009 einen Asylgrund in Deutschland dar (zitiert nach dem BaMF Bericht, s.o.). 

Politische und gesellschaftliche Bedeutung 

Die Rolle des Islam und der Religion ist seit Ende des Bürgerkrieges 2001 nicht schwächer, sondern stärker geworden. Nach einem Bonmot haben die Islamisten den Krieg verloren, aber die Herrschaft über die Gesellschaft gewonnen. Zahlreiche wichtige Posten in der Staatsbürokratie, in der Justiz oder der Wissenschaft werden im Zuge der «nationalen Aussöhnung» von Islamisten eingenommen. 

Dies manifestiert sich u.a. in der Zunahme der Verschleierung, die nach der Unabhängigkeit noch wenig verbreitet war, und in der Durchdringung und Regulierung des Alltagslebens mit religiösen Vorschriften, z.B. mit der Respektierung von Betpausen während der Arbeit und des Waschzwanges mehrmals täglich, um korrekt beten zu können. Die Spitze des Staates ist selbst nahe am Islamismus, sofern er nicht offen terroristisch ist. Islamismus, Staatsbürokratie und Armee haben ein stillschweigendes Bündnis gegen Demokratie, Transparenz und politische Modernisierung geschlossen. 

Ein weiteres Indiz: zahlreiche Alkohol-Verkaufsstellen mussten schließen, oder sind von Schließung bedroht. Restaurants, die die Lizenz zum Alkohol-Ausschank haben, sind in Gefahr, diese entzogen zu bekommen. Das Fastengebot während des Ramadan wird zunehmend strikt ausgelegt, so dass während der Sommermonate z.B. das Baden im Meer tagsüber tabu ist, da die Gefahr besteht, Meerwasser zu verschlucken und dadurch das Fasten zu brechen.

Die Texte stammen vom Länderportal der GIZ, welches vom Netz genommen ist. Der Verfasser ist auf dem PDF, was ich abgezogen habe, nicht ersichtlich. Die GIZ ist informiert worden, dass die Infos auf meine touristischen Länderseiten veröffentliche.